Turn Me On, Goddammit (2011)

Originaltitel

Land/Jahr

Genre

Laufzeit

 

Regie

Drehbuch

Darsteller

Få meg på, for faen

Norwegen; 2011

Komödie, Drama, Coming of Age

76 min


Jannicke Systad Jacobsen

Jannicke Systad Jacobsen, Olaug Nilssen

Helene Bergsholm, Malin Bjørhovde, Beate Støfring, Matias Myren, Lars Nordtveit Listau, Henriette Steenstrup


Aus Skandinavien kommen immer wieder spezielle Filme, die eine ganz eigene Note haben und dadurch um einiges interessanter sind als Produktionen aus Deutschland oder der Schweiz. Jetzt hat sich mit Jannicke Systad Jacobsen eine Frau in den Regiestuhl begeben und liefert ihren ersten Spielfilm mit der Newcomerin Helene Bergsholm in der Hauptrolle. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Buch von Olaug Nilssen und durch den wunderbaren Charme des Filmes überzeugte er die Besucher des Zürich Filmfestival 2011. Bald soll auch die Veröffentlichung auf DVD folgen.

Die 15-jährige Alma (Helene Bergsholm) wächst im norwegischen Ort Skoddeheimen auf. Mitten in der Pubertät hasst sie die Kleinstadtatmosphäre und flüchtet sich in wilde erotische Fantasien. Als sie mit ein paar Freundinnen auf eine Party geht, trifft es sich, dass sich Alma und ihr Schulschwarm Artur (Matias Myren) unbeobachtet über den Weg laufen. Als Artur sie daraufhin spontan mit seinem Penis anstupst erzählt dies Alma sogleich den Anderen. Doch Artur streitet plötzlich alles ab und Alma wird von allen als Lügnerin hingestellt. Bald weiß das ganze Dorf davon und Alma wird zum Gespött aller und vereinsamt zunehmend. Nur noch ihre Schulfreundin Sara (Malin Bjørhovde) scheint zu ihr zu halten. Dabei hat sie doch nur die Wahrheit erzählt – oder war es etwa doch nur eine ihrer Fantasien?

 

Den Charme, dieses tragikomischen Coming of Age-Filmes, nimmt man schon von der ersten Szene an war. Der feine Zynismus in der erzählenden Stimme unserer Hauptfigur Alma, untermahlt wunderbar die tristen Bilder der ländlichen Einöde des Städtchens Skoddeheimen.

Man kann sich gut mit den jungen Menschen identifizieren. Hier möchte wirklich kein Hund begraben sein. Es ist, wie man so schön sagt, der Ort an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen würden, wenn es ihnen dort nicht schon viel zu langweilig geworden wäre.

Alma und ihre beiden Freundinnen schlagen die Zeit damit tot an der Bushaltestelle herumzulungern und Bier zu trinken. Sonst ist das Interessanteste neben der Schule eine seltene Party.

Während sich Alma zunehmend in ihre erotischen Tagträume hineinsteigert, erzählt der Film aber auch feine, aber dennoch in ihrer Skurrilität interessante Nebenhandlungen. So pflegt beispielsweise Almas Freundin Sara, Briefe an amerikanische Sträflinge im Todestrakt zu schreiben, und erzählt in diesen ausführlich, mit welchen Problemen ihr Freundeskreis in Skoddeheimen zu kämpfen hat.

 

Nach dem Ereignis bei der Party, das, genauso wie die Fantasien Almas, sehr freizügig gezeigt wird, und damit besonders der Prüderie von amerikanischen Filmen eine Ohrfeige verpasst, erlebt der Zuschauer gut eingebunden mit, wie Alma, als Lügnerin abgestempelt, mehr und mehr ausgeschlossen und verspottet wird. Die Geschichte verbreitet sich wie ein Lauffeuer in dem kleinen Ort und nur Almas Mutter scheint von dem ganzen nichts zu wissen.

Gute gelingt es Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen dabei auch den Zuschauer mit seiner Meinung ins Wanken zu bringen. Almas Tagträume verlaufen des Öfteren übergangslos in die Realität und bald ist man sich nicht mehr ganz sicher ob Arturs Annäherungsversuch nicht auch pure Einbildung war.

 

Wie sich Opfer von Mobbing und Ausgrenzung fühlen wird dabei recht gut vermittelt und die Geschichte zeigt, wie Almas Versuche wieder dazuzugehören auf nur noch mehr Ablehnung stoßen. Dennoch gelingt dem Film der Balanceakt, damit er nicht in ein deprimierendes Drama absackt und schafft es immer wieder durch feinen, aber nie platten Humor, eine charmant trockene Tragikomödie zu bleiben. Auch erst ganz am Ende des Filmes erfahren wir, was tatsächlich passiert ist, doch stützt sich die Geschichte nicht einzig auf diese Auflösung, sondern bringt Alma bereits zuvor die Antwort auf ihre Perspektivlosigkeit indem ihr durch das Landleben eingeschränktes Weltbild vergrößert wird und auch der Zuschauer erkennt, dass man manchmal über den Tellerrand hinweg schauen muss um zu erkennen, dass doch nicht alles so Hoffnungslos ist.

Das Spiel der hauptsächlich unerfahrenen Jungdarsteller ist hier genauso zu loben, wie das angenehm ruhige Erzähltempo Jacobsens. Endlich wieder einmal ehrliche Unterhaltung, wie man sie viel zu selten erlebt.

 

Fazit:

Mit dieser Buchverfilmung ist Jannicke Systad Jacobsen eine wunderbare Coming of Age-Tragikomödie gelungen, an der sich viele Filmemacher eine Scheibe abschneiden können. Die talentierten Jungdarsteller tragen den Film problemlos und das gute Drehbuch mit seinen unterhaltsamen Nebenhandlungen und den vielen charmanten Details lassen den Zuschauer nie das Interesse verlieren. Auch dass hier nicht die Prüderie der viel zu dominanten amerikanischen Filmindustrie vorherrscht, ist ein großer Pluspunkt des Filmes und lässt ihn in der heutigen Zeit zusätzlich aus der Masse an ähnlichen Filmen herausstechen. Eine echte Perle und ein weiterer Beweis, dass aus Skandinavien nach wie vor spannende Werke zu erwarten sind.

 

Veröffentlichung:

Schon seit längerem ist eine deutsche DVD-Ausgabe angekündigt, aber weder ein Veröffentlichungsdatum ist bekannt, noch welche Extras zu erwarten sind. Die englische und norwegische DVD ist dafür bereits im Handel erhältlich und beide bringen den Film im Originalton mit englischen Untertiteln.


Bewertung: 8.5/10

Autor | Yves Albrecht

Besucherwertung

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Bewertungsmaßstab

10 = Sensationell!
9 = Genial
8 = Super!

7 = Sehr Gut
6 =  Gut
5 = Genügend (durchschnitt)
4 = Schwach
3 = Sehr Schwach
2 = Nervt
1 = Totale Sch...

Loading