Die "Liste problematischer Filme" - Eine Erläuterung

Die sogenannte „Liste Problematischer Filme“ (Downloadlink) wird vom 'Schweizer Video Verband' SVV-Video herausgegeben und enthält über 80 Filmtitel, die in der Schweiz unter den Bestand des Artikels 135 des Strafgesetzbuches fallen können:

 

Gewaltdarstellungen

1 Wer Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände oder Vorführungen, die, ohne schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

 

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen nach Absatz 1, soweit sie Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere darstellen, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt.

 

2 Die Gegenstände werden eingezogen.

 

3 Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Mit Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden. (Schweizer Eidgenossenschaft)

 

Zurückzuführen ist die Liste auf die Film-Verbotsliste in Deutschland. Jene wurde zu Beginn der 80er-Jahre eingeführt.

Um das ein bisschen besser zu verstehen, eine kurze Geschichtsstunde:

Vor den 80er Jahren gab es in Deutschland keine Filmverbote (abgesehen von nationalsozialistischen Propagandafilmen). Kein wunder, denn es gab noch keine Möglichkeit Filme zu Hause anzuschauen. Dies änderte sich mit der Einführung der VHS. Bald boomte das Geschäft mit den Videofilmen und unzählige Videotheken überschwemmten das Land. Auch die Filmindustrie war im Umbruch. Das Horrorgenre blühte regelrecht auf, was eindeutig auch mit dem geschichtlichen Hintergrund zu tun hatte: Vietnamkrieg, Studentenaufstände, Globalisierung ect.

 

Dem Fernsehen war aber diese Alternative zu ihrem öffentlich rechtlichen Programm ein Dorn im Auge. Das war eindeutig zu spüren in der vom ZDF produzierten Dokumentation „Mama, Papa, Zombie“ (1984). In diesem Fernsehbericht wurde eingehend vor Gewalt in Videofilmen gewarnt – und man kann ihn heute als Paradebeispiel von unlauterem Journalismus ansehen. Interviews wurden gestellt, den Leuten die Worte im Mund herum gedreht und Filmausschnitte gezeigt, die komplett aus dem Zusammenhang gerissen waren.

Doch der Film tat seine Wirkung und die Behörden wurden zum Handeln gezwungen. Die Freiwillige Selbstkontrolle FSK und die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien, BPjM wurden gegründet und unzählige Filme landeten auf einer neu eingeführten Verbotsliste.

Als Grundlage diente in Deutschland der §131 des Strafgesetzbuches:

 

Gewaltdarstellung

(1) Wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,

            1.             verbreitet,

            2.             öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,

            3.             einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder

            4.             herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (dejure.org)

 

Dabei waltete bald einmal Willkür und so landeten auch Filme auf der Liste, die nur schon aufgrund ihrer Thematik hätten anstößig sein können.

Titel wie „Halloween 2“, „Freitag der 13.“ 3 & 4, „Phantasm - Das Böse“ usw. Filme, die in anderen Ländern grosse Fangemeinden haben ("Braindead", "Tanz der Teufel") und auch durch ihre gesellschaftskritischen Aussagen überzeugen ("Dawn of the Dead" 1980; "Cannibal Holocaust" 1980).

 

Die Schweiz hatte bald einmal das Gefühl auch so eine Liste einführen zu müssen, doch es fehlte das Geld um eine Prüfstelle zu gründen. Kurzerhand wurde die Liste von Deutschland übernommen und wird bis heute nach dieser aktualisiert. So haben inzwischen auch neue Titel wie „Hostel 2“, „Saw VII“ oder „Storm Warning“ in der ungeschnittenen Fassung ihren Weg auf die Liste gefunden.

(Überprüfen, welche Fassung eines Filmes geschnitten ist, kann man auf OFDb; was herausgeschnitten wurde auf Schnittberichte)

 

Problematisch ist dies insofern, weil sich die Gesetzestexte der beiden Länder in wichtigen Punkten unterscheiden.

Während sich in Deutschland niemand strafbar macht, der die DVD besitzt, und lediglich dann den Gesetzestext verletzt, wenn er den Film verkauft oder vorführt, macht man sich in der Schweiz bereits dadurch strafbar, den Film zu Hause zu haben.

 

Doch auch dies muss man wieder genauer betrachten. Denn für die schweizer Behörden ist die „Liste Problematischer Filme“ lediglich als Richtlinie da. Die Polizei kann bei einer Hausdurchsuchung auch Filme beschlagnahmen, die nicht auf der Liste sind, ihrer Meinung nach aber den Straftatbestand nach Art. 135 erfüllen.

Schlussendlich liegt es im Ermessen des Richters, ob die Filme wirklich Gewaltverherrlichend sind, oder nicht.

Es besteht dadurch bald einmal die Gefahr der Willkür. Dazu kommt noch die Tatsache, dass viele der Filme, die auf der Verbotsliste aufgeführt sind, problemlos in grossen Läden wie Media Markt oder Saturn gekauft werden können (allerdings oft in geschnittener Fassung).

Weil es in der Schweiz aber nicht darauf ankommt um welche Fassung es sich handelt (es liegt wieder im Ermessen des Richters) und auch Nichtwissen nicht vor Strafe schützt, ist man hierzulande aufgeschmissen.

 

So haben sich "Die Ärzte" die Zensurbehörde vorgestellt, im Videoclip zu "Bitte Bitte"
So haben sich "Die Ärzte" die Zensurbehörde vorgestellt, im Videoclip zu "Bitte Bitte"

Angenehmer haben es die Österreicher. Bei ihnen existiert keine Liste mit verbotenen Horrorfilmen und so werden alle Filme, die in den umliegenden Ländern beschlagnahmt sind von österreichischen Labeln veröffentlicht und verkauft (ungeschnitten versteht sich). Auch in der Schweiz gibt es gewisse Läden, die solche importierten DVD verkaufen. Ironischerweise wird gerade in diesen Geschäften meist nicht auf die Altersbeschränkung geachtet und so bewirkt die „Liste Problematischer Filme“ eigentlich genau das Gegenteil von dem, was sie will: Auch Minderjährige können sich brutale Horrorfilme kaufen und anschauen.

Diese Tatsache beweist einmal mehr: Mit verboten ist es nicht getan. Wer sich die Filme anschauen will, tut das sowieso.

Aktiver Jugendschutz wäre bestimmt wirkungsvoller. Das würde allerdings bedeuten, dass die Verkaufsgeschäfte und besonders die Eltern zur Verantwortung gezogen werden müssten. Es ist schliesslich die Aufgabe der Erziehungsberechtigten, ihre Kinder vor nicht geeignetem Material zu schützen.

 

So wie es aber zur Zeit gehandhabt wird, funktioniert das System nicht. Besonders, weil die meisten verbotenen Filme im Vergleich zu heutigen Produktionen bereits wieder harmlos sind. Doch die Werke wieder von der Liste zu streichen ist ein langwieriger Prozess, den kaum ein Label auf sich nehmen möchte.

So muss man als Film- und Kunstliebhaber weiterhin auf Umwegen in den Genuss dieser Filme kommen und kann nur hoffen, dass die Behörden eines Tages zur Vernunft kommen werden.


Autor | Yves Albrecht

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