Henry - Portrait of a Serial Killer (1986)

Originaltitel

Land/Jahr

Genre

Laufzeit

 

Regie

Drehbuch

Darsteller

Henry: Portrait of a Serial Killer

USA; 1986

Thriller, Drama

83 min


John McNaughton

Richard Fire, John McNaughton

Mary Demas, Michael Rooker, Anne Bartoletti, Elizabeth Kaden, Ted Kaden, Denise Sullivan, Anita Ores, Megan Ores


Nach 26 Jahren der Indizierung hat es das Label „Bildstörung“ endlich geschafft den Film von der Liste streichen zu lassen. Sogleich haben sie eine wunderbare Veröffentlichung geschaffen, was allein schon Grund genug ist „Henry“ in einem Review zu besprechen.

Da wird New York aber bald nach Geld fragen...
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Zusammen mit seinem ehemaligen Knastkumpan Otis wohnt Henry in einer kleinen, schäbigen Wohnung in Chicago. Doch Henry, der tagsüber als Kammerjäger arbeitet, hat ein düsteres Geheimnis: Auf sein Konto gehen unzählige Morde, hauptsächlich an jungen Frauen. Sein Motiv scheint unklar, seine Opfer liest er wahllos aus. Als eines Tages Otis’ Schwester bei ihnen einzieht ist es aber Schluss mit dem geordneten Alltag der beiden Männer. Bald entdeckt Otis die Freizeitbeschäftigung Henrys und kommt binnen kurzem auch auf den Geschmack des Tötens. Doch anders als Henry geht er äusserst stümperhaft vor und bald türmen sich die Probleme...

 

Das erste Mal, dass ich eine Szene aus „Henry - Portrait of a Serial Killer“ sah war in einem anderen Film. Im 1993 gedrehten „Liebes Tagebuch...“ besucht Regisseur und Hauptdarsteller Nanni Moretti eine Kinovorstellung des berüchtigten Thrillers und, aufgebracht über die dargestellte Gewalt sucht er den Kritiker auf, der Gutes über „Henry“ geschrieben hatte, und bringt diesen um den Schlaf, indem er ihm die lobende Kritik vorliest. Tja, Nanni Moretti scheint der Film gar nicht gefallen zu haben, genauso wie den Zensurbehörden in Deutschland. Offenbar haben beide durch die Brutalität, die bei „Henry“ durchaus dominiert, die eigentliche Botschaft und Sozialkritik übersehen.


„Die jugendgefährdende Botschaft des Filmes beruht insbesondere in der Botschaft des Filmes, dass das Töten von Menschen Lustgewinn bringe.“ (Auszug Indizierungsbescheid) 


Die Veröffentlichungsgeschichte von John McNaughtons Erstlingswerk war auch dementsprechend kompliziert. 1986 gedreht, schaffte es der Film erst vier Jahre später in die Kinos, nachdem ihn Dokumentarfilmer und Schützling Werner Herzogs, Errol Morris, entdeckt und auf ein Festival gebracht hatte. (Wer eine nette Anekdote über Errol Morris erfahren möchte, dem sei der Kurzfilm „Werner Herzog Eats His Shoe“ ans Herz zu legen). Danach folgten lange Diskussionen über Gewaltdarstellung und Zensur, besonders aus dem Grund, da der Film nicht ein einfacher Horrorfilm ist, wie sie in den Achtzigerjahren wie Pilze aus dem Boden schossen, sondern in seiner Aussage um einiges tiefgründiger und kritischer war.

So konnte der Film nicht einfach nach §131 verboten werden und selbst im Indizierungsbescheid wurde festgehalten:


„Ohne Frage darf der Film die Kunstfreiheit des Art. 5 Absatz 3 GG für sich in Anspruch nehmen. Denn nach der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Definition ist alles Kunst, was sich darstellt als ‚freie schöpferische Gestaltung, in der Erfahrungen, Eindrücke oder Phantasien des Urhebers zum Ausdruck kommen’. Diese Definition wird von dem Film unzweifelhaft erfüllt.“ (Auszug Indizierungsbescheid) 


Aber „Henry - Portrait of a Serial Killer“ ist tatsächlich mehr als nur das Abbild einer kranken Fantasie irgendeines Regisseurs. John McNaughton schafft es durch seinen Erzählstil und die Bildsprache den Zuschauer emotional mit der Hauptfigur Henry zu verbinden, und stösst ihn dabei besonders durch den Umstand vor den Kopf, dass Henry ein scheinbar gewissenloser Mörder ist. Scheinbar deswegen, weil sich im Verlauf des Filmes die Grenzen verschieben. Henry legt zwar, wenn er sein Opfer gefunden hat, öfters mitleidlose Gewalt an den Tag, hat aber auch seine klare Ethik. Dies beweist er, als er die Vergewaltigung von Otis an dessen Schwester verhindert.

Otis hingegen, der erst durch Henry auf den Geschmack des Tötens kommt, ist das eigentliche Monster, das sein wahres Gesicht erst im Verlauf des Filmes zu Tage bringt.

Währendem Henry klare Prinzipien und trotz scheinbarer Emotionslosigkeit auch eine tiefgründige Gefühlswelt in sich trägt (grossartig dargestellt von Michael Rooker), ist Otis lediglich am Blutrausch selbst interessiert und ist sich nicht zu schade, seine eigenen Taten auf Video erneut zu durchleben.

Genau durch diese Videooptik taucht auch eine neue Ebene auf, die den Zuschauer zwangsläufig tiefer mit einbindet. Dadurch, dass man einem Film im Film zuschaut, scheint die Grenze zwischen Fiktion und Realität aufgehoben und die Morde, die man meist nur angedeutet und unscharf erkennt, wirken umso brutaler, sodass es beinahe physisch wehtut.

 

Die Farbgebung des gesamten Filmes spielt dabei auch eine besonders wichtige Rolle. Keine normale Filmoptik wird uns geboten, sondern fast schon trübe, düstere Bilder erblicken wir, die in ihrer unverschönt wirkenden Reinheit ungemein realistisch anmuten - ein weiterer Trick den Zuschauer tiefer in das Geschehen eintauchen zu lassen. So in den Bann gezogen schockiert das gezeigte tatsächlich ungemein. Für Kinder ist der Film daher sicher nicht geeignet und die Altersfreigabe ab 18 Jahren ist durchaus gerechtfertigt. Die folgende Aussage des Zensurberichts scheint dennoch unglaubwürdig:


„Kinder und Jugendliche werden lediglich die eindringlich in Szene gesetzten Mordtaten sehen und erfahren, dass morden Lustgewinn bringe. Daher ist vorliegend dem Jugendschutz der Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen.“ (Auszug Indizierungsbescheid)


Wenn man den Film heute wieder schaut, dank Bildstörung endlich in guter Bildqualität, dann wird einem klar, dass der Film über die Jahre nichts an seiner unangenehmen Faszination verloren hat und (leider) auch nichts an seiner Aktualität. Die gesellschafts- und sozialkritischen Elemente könnten problemlos auf die derzeitige Welt angewendet werden und man kann nur hoffen, dass wir durch Werke wie „Henry“ eines Tages wachgerüttelt werden. Gleichzeitig stellt sich natürlich die altbekannte Frage: Ist es möglich Gewalt zu kritisieren in dem man Gewalt darstellt? Eine Antwort sei an dieser Stelle nicht gegeben. Abschliessend kann ich nur hoffen, dass mich Nanni Moretti für diese Kritik nicht um den Schlaf bringen wird...

 

Fazit:

„Henry - Portrait of a Serial Killer“ hat nach über 25 Jahren nichts an Aktualität und bestürzender Faszination verloren. John McNaughton ist damit eindeutig ein Klassiker unter den Underground-Thrillern gelungen, der auch heute noch gerne für Gesprächsstoff sorgt. Die guten Darsteller, die rohe Optik und das geschickte Spiel mit der Kamera ziehen den Zuschauer in diese kalte Filmwelt und hinterlassen zusammen mit dem kompromisslosen Ende ein Gefühl, das noch lange in Erinnerung bleibt. Genau das ist es, was den Film auch heute noch so wichtig macht, denn solange man sich über solche Filme aufregt, ist auch der Wille da, sich mit der real existierenden Gewalt auseinander zu setzten.


Veröffentlichung:

Schon zuvor gab es Veröffentlichungen des Filmes. So zum Beispiel von Laser Paradise in der Red Edition. Doch die Bildqualität liess zu wünschen übrig. Erst das Label Bildstörung hat sich dem Film wirklich angenommen, holte ihn von der Indizierungsliste und nahm ihn in ihre DROP OUT-Reihe auf. Wenn ein Film unter die Fittiche dieses Labels genommen wird, dann ist er auf jeden Fall gut aufgehoben und so wurde auch „Henry – Portrait of a Serial Killer“ eine wunderschöne Ausgabe zu teil. Die Limited Edition beinhaltet neben üppigem Bonusmaterial auch noch den schrägen Soundtrack sowie ein 24-seitiges Booklet, dem sogar der Zensurbescheid angefügt ist. Eine Kaufempfehlung.


Bewertung: 8/10

Autor | Yves Albrecht

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